Spin

Elementarteilchen haben außer ihrer Masse und ihrer elektrischen Ladung eine weitere fundamentale Eigenschaft: den sogenannten Spin. Der Spin ist eine quantenmechanische Eigenschaft und hat große Bedeutung für moderne Technologien. In der Spintronik oder Spin-Elektronik nutzt man den Spin anstelle von elektrischen Ladungen zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen und erhält damit weitaus leistungsfähigere Bauteile.

Was also ist der Spin? Um dies zu verstehen müssen wir vorher das Konzept des Drehimpulses einführen. Der Drehimpuls ist eine vektorielle Größe, die für die Rotation das ist, was der Impuls für translatorische Bewegungen ist. In der klassischen Mechanik kann der Drehimpuls aus der Orbitalbewegung (wie die jährliche Umkreisung der Sonne durch die Erde) und dem "Spin" (wie die tägliche Rotation der Erde um ihre Nord-Süd-Achse) bestehen. In Analogie zur klassischen Theorie kann man den Spin als den intrinsischen Drehimpuls eines Elementarteilchens einführen. Diese Analogie sollte jedoch nicht überstrapaziert werden, da die Rotation eines punktförmigen Teilchens schwerlich vorstellbar ist.

Vereinfacht dargestellt, hat der Spin damit zu tun, wie das Teilchen im Ruhezustand von verschiedenen Blickrichtungen aus aussieht. Im Alltag ist es möglich, ein Objekt in Rotation zu versetzen und seine (An)isotropie zu studieren. Im subatomaren Bereich ist dies nicht möglich, besonders nicht, wenn man mit punktförmigen Teilchen zu tun hat. In diesem Fall wird das Hauptaugenmerk auf das Verhalten der Teilchen und die Charakterisierung ihrer intrinsischen Eigenschaften, den Spin eingeschlossen, gelegt.

In der Teilchenphysik bedienen wir uns der Umwandlungsprodukte der instabilen Teilchen, um ihren Spin zu bestimmen. Der Drehimpuls ist eine vektorielle Erhaltungsgröße (analog zum Impuls). Eine vektorielle Größe benötigt einen Betrag (Vektorlänge) und eine Richtung. Die elektrische Ladung, Masse und Temperatur werden skalare Größen genannt, da ihr Betrag ausreicht, um sie zu charakterisieren.

Im mikroskopischen Bereich der Teilchenphysik ordnet man den Teilchen einen Eigendrehimpuls zu. Teilchen mit halbzahligem Spin (1/2, 3/2, 5/2, ...) nennt man Fermionen, und Teilchen mit ganzzahligem Spin (0, 1, 2, ...) nennt man Bosonen. Schauen wir uns die Teilchen an, die wir bereits kennengelernt haben: Materieteilchen (Leptonen, Quarks, Protonen, Neutronen) sind Fermionen mit Spin 1/2. Die Botenteilchen und das Higgs-Teilchen sind Bosonen. Photon, Gluon, W- und Z-Boson sind Spin-1-Teilchen. Das Higgs ist ein Spin-0-Boson.

Fermionen und Bosonen verhalten sich unterschiedlich. Bosonen sind "soziale" Teilchen: Zwei oder mehr von ihnen dürfen am gleichen Ort in allen Quantenzahlen (Spin, Ladung,...) übereinstimmen. So beruht die Wirkungsweise eines Lasers darauf, dass unzählige Photonen den gleichen Zustand einnehmen können. Für Fermionen gilt hingegen das sogenannte Pauli-Verbot. Es besagt, dass nie zwei oder mehr von ihnen "am gleichen Ort" (z.B. Elektronen eines Atoms) in allen Quantenzahlen übereinstimmen dürfen. Aus diesem Prinzip erklärt sich zum Beispiel das Periodensystem der Elemente.