Das Higgs-Teilchen
Dieses kurze Kapitel soll Dir Einblick in die Suche nach diesem Teilchen und ersten sich daraus ergebenden Ergebnissen am LHC geben.

Das Higgs-Teilchen ist einer der populärsten Kandidaten, der bei der Suche nach neuen Teilchen am LHC genannt wird. Es könnte eine Mitte der 60er Jahre aufgestellten Theorie untermauern, die einen Mechanismus beschreibt, der den Elementarteilchen des Standardmodells Masse verliehen hat. Aus Symmetrien schließt kann man schließen, dass alle Elementarteilchen direkt nach dem Urknall masselos waren. Die Theorie vermutet, dass sich durch Abkühlung des Weltalls eine Billionstel Sekunde nach dem Urknall ein Medium im ganzen Universum ausgebreitet hat, das so genannte Higgsfeld. Da Kraft benötigt wird, um Elementarteilchen, die mit diesem Medium interagieren zu beschleunigen, ist ihre Masse nicht mehr Null. Der Nachweis des Higgs-Feldes geschieht über das Higgs-Teilchen. Die Quantenfeldtheorie verlangt, dass zu jedem Feld ein Teilchen gehört, welches durch Anregungen des Feldes erzeugt werden kann. Um das Higgs-Feld nachzuweisen, muss man es also anregen, sozusagen kleine Wirbel darin erzeugen. Ein Higgs-Teilchen ist das kleinste Energiequant eines solchen "Higgsfeldwirbels". Das Higgs-Teilchen selbst hat eine große Masse und eine sehr kurze Lebensdauer. Bevor es direkt nachgewiesen werden kann, zerfällt es auch schon wieder. Daher kann es nur anhand seiner Zerfallsprodukte gefunden werden. In welche Teilchen das Higgs-Teilchen zerfällt, hängt vorhersagbar von seiner Masse ab. Nach drei Jahren Datennahme und Analyse haben wir nun eine gute Vorstellung von der Masse des Higgs-Bosons. Es ist ungefähr 125 GeV/c schwer und hat dadurch viele Zerfallsmöglichkeiten Die Verhältnisse mit denen diese Zerfallsmöglichkeiten auftreten sind Gegenstand aktueller Forschung und werden entscheiden, ob es sich beim entdeckten Higgs-Teilchen um das vom Standardmodell vorhergesagte Higgs handelt.
In der folgenden Abbildung, die auf theoretischen Berechnungen beruht und erste experimentelle Ergebnisse der Experimente ATLAS und CMS beinhaltet, sind die Anteile (y-Achse) wichtiger Zerfallsprozesse des Higgs-Teilchens dargestellt. Außerdem wird darin der Einfluss der Masse des Higgs-Teilchens (x-Achse) auf diese Zerfälle deutlich. Zudem sind die Bereiche möglicher Higgsmassen schraffiert, welche nach den ersten Analysen der beiden großen Higgs-Suchenden ATLAS und CMS mit 95%iger Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.



Die gestrichelte blaue Linie im Diagramm (mit WW bezeichnet) ist für uns nun sehr interessant. Da an einem Protonenbeschleuniger Zerfälle des Higgs-Teilchens in ein Paar aus Bottom-Antibottom Quarks (b
b
) wegen des riesigen Untergrunds sehr schwer nachweisbar sind, besagt diese Linie: Im gesamten noch erlaubten Massenbereich ist der häufigste Zerfall des Higgs-Teilchens derjenige in zwei W-Teilchen, die entgegengesetzte elektrische Ladungen haben müssen, da das Higgs-Teilchen elektrisch neutral ist.

Jedoch ist das Detektorbild der Produktion eines Higgs-Teilchens und der anschließende Zerfall in zwei W-Teilchen identisch mit dem Detektorbild der Produktion zweier elektrisch entgegengesetzt geladener W-Teilchen nach dem Standardmodell (siehe rechtes Feynman-Diagramm auf dieser Seite). Letztgenannter Prozess ist sogar viel häufiger (abhängig von der Masse 4-10mal). Wie kann man diese beiden Prozesse nun voneinander trennen? Durch das Betrachten weiterer physikalische Größen, mit deren Hilfe eine bessere Trennung beider Prozesse gelingt. Die Teilchenphysiker sprechen dabei von der Verbesserung des Signal- zu Untergrundverhältnisses.

Der von uns im folgenden näherbetrachtete Kanal ist also der WW-Kanal. Beide W-Teilchen zerfallen nach den Gesetzen des Standardmodells unabhängig voneinander. Ein W-Teilchen kann in ein Quark-Antiquark- oder ein Lepton-Antilepton-Paar zerfallen. Wir wollen uns den Zerfallskanal anschauen, bei dem beide W-Teilchen in ein Lepton-Antilepton-Paar zerfallen, wobei Tau-Leptonen nicht betrachtet werden sollen, da sie schwer nachzuweisen sind. Die Physiker schreiben dies kurz als H→WW→lνlν oder WW→lνlν, wobei l für ein Elektron, Myon, Positron oder Antimyon und ν für ein Neutrino steht.

Zur Verbesserung des Signal- zu Untergrundverhältnisses wird in unserem gewählten Zerfallskanal nun der Winkel zwischen den beiden elektrisch entgegengesetzt geladenen Leptonen in der Ebene senkrecht zur Strahlachse betrachtet. Dieser wird Öffnungswinkel genannt. Unter Beachtung der Beziehungen zum Spin der Teilchen erwartet man die Higgs-Ereignisse überwiegend bei Öffnungswinkeln zwischen 0 und 90 Grad zu finden. Die WW-Ereignisse aus dem Standardmodell erwartet man hingegen bei Öffnugswinkeln zwischen 0 und 180 Grad, wobei Winkel über 90 Grad häufiger sind als Winkel unter 90 Grad. Dies kann sehr gut in einem Histogramm dargestellt werden, welches in der weiteren Analyse hilfreich sein wird.

Signal vs. Untergrund

Hier sind noch zwei Feynman-Diagramme, die Erzeugung und Zerfall des Higgs-Teilchens (linke Abbildung) darstellen sowie ein Untergrundereignis (rechte Abbildung):





WW-Ereignisse
  • Du erfährst mit Hilfe der nächsten Bilder, wie Du WW-Ereignisse identifizieren kannst.
  • First of all you look at the value of the missing transverse momentum (MET, Missing ET, missing transverse energy). If it is greater than 20 GeV, you should have a closer look at the event. In this example the MET is ~64 GeV. It is now recommended to choose only particle tracks, which can be assigned to electric charged lepton candidates with high transverse momentum. Have a look at the next picture to see how this works.
  • Dies ist das Ereignis nach der Anwendung eines Schnitts auf den transversalen Impuls (PT). Dabei wurden alle Teilchenspuren ausgewählt, deren PT-Werte größer als 20 GeV sind. Lediglich zwei Spuren bleiben übrig. Die wahrscheinlichsten Kandidaten sind Elektron, Positron, Myon oder Antimyon. Lass uns herausfinden, welche Teilchen es sind und ob sie unsere Auswahlkriterien erfüllen. Dies geschieht im nächsten Bild. Anmerkung: Würdest Du zwei gleichartige Leptonen (beispielsweise Elektron und Positron) im Event Display erkennen, müsstest Du noch einmal auf den fehlenden transversalen Impuls schauen. Ist er größer als 40 GeV, solltest Du das Ereignis weiter untersuchen. Ist er jedoch kleiner als 40 GeV, musst Du das Ereignis als Untergrund einordnen.
  • In this view, it is clear that we are observing an electron and a positron. Note their opposite charges. This event features two leptons with opposite electric charge, meeting our transverse momentum criteria (68 and 49 GeVs). To confirm that two neutrinos were also produced in this event, we would expect at least 40 GeV of missing transverse momentum. In this case, the missing transverse momentum is actually higher, at 64 GeV. That is why we can call this a WW candidate event. To obtain better information about the origin of this event we measure the angle between the two detected leptons (electron and positron) in the plane at right angles to the beam pipe. This can be done by holding down the “Ctrl” key and selecting the two tracks. The value we need is Δɸ, which in this case is 95 degrees.


Jetzt weißt Du, wie man WW-Ereignisse identifizert – auf zur Messung!